„Die [Wiesen und Äcker] wollen wir wieder zu unseren gemeinen Händen nehmen.“, heißt es in den zwölf Artikeln aus den Deutschen Bauernkriegen. Gemeingut oder Commons wird auch heute wieder als Teil ökonomischer Alternativen diskutiert und eingefordert. Silvia Bottinelli (Tufts University) spricht über internationale Projekte, in denen Künstler:innen neue Formen gemeinschaftlicher Landwirtschaft entwickeln – zwischen Ästhetik, politischer Praxis und Eigentumsfragen. Mit Stephen Wright (Künstlerhaus Stuttgart) und Jana Korb (CircusMühle Kelbra) diskutiert sie im Anschluss, moderiert von Marita Tatari (Burg Giebichenstein Kunsthochschule), wie aus der Kunst zukunftsfähige Modelle für Ernährung, Landnutzung und Gemeinschaft kommen können. Zukunftsspeisen illustriert die Diskussion mit einem kulinarischen Beispiel.
In Kooperation mit Zukunftsspeisen.
Sprache: Englisch
Um der Simultanübersetzung des Vortrags zu folgen, bringen Sie bitte Ihr Handy und eigene Kopfhörer mit. Vor Ort können Sie sich mit dem Audiokanal auf Deutsch verbinden.
18:30 Vortrag Silvia Botinelli mit Q&A
19:30 Diskussion mit Silvia Botinelli, Stephen Wright und Jana Korb, Moderation: Marita Tatari
Zum Vortrag:
Whose Commons? [Wessen Gemeingut?] Aushandlung von privatem und öffentlichem Raum auf zeitgenössischen, von Künstler:innen betriebenen Bauernhöfen
Zeitgenössische Künstler:innen, die landwirtschaftlich tätig sind, rahmen ihre Projekte häufig als Gemeingut (‚commons‘), selbst wenn diese auf ihrem Privatland stattfinden. Anhand von drei Fallstudien – The Land von Rirkrit Tiravanija und Kamin Lerdchaprasert in Chiang Mai, Thailand (gegründet 1998); Tree Elbow von Artist as Family (seit 2010) auf dem Territorium der Dja Dja Wurrung in Australien; und Salmon Creek Farm von Fritz Haeg (seit 2014) in Kalifornien, USA – untersucht dieser Vortrag, wie Eigentum als Ausgangspunkt für die künstlerische Schaffung alternativer Systeme gemeinsamen Arbeitens, Wissens und Ressourcen fungiert hat. Wenn das Modell der Commons eine Möglichkeit bietet, der profitorientierten industriellen Landwirtschaft entgegenzuwirken, mussten Experimente mit Gemeingütern in mehreren Fällen mit bestehenden kapitalistischen Infrastrukturen verhandeln, um Raum zu finden.
Was sind die Grenzen, Vorteile und Widersprüche des privaten künstlerischen Gemeinguts in Bezug auf Zugang, Inklusivität und Nachhaltigkeit? Wie unterscheidet sich das private Commons-Modell von Künstlerhöfen, die stattdessen auf öffentlichem Land angesiedelt waren/sind – wie Crossroads Community (The Farm) (1974–80) von Bonnie Ora Sherk in San Francisco (USA), Frogtown Farm (seit 2013) von Seitu Jones und Soyini Guyton in St. Paul, Minnesota (USA), oder Casa delle Agricolture (seit 2013) von Luigi Coppola in Apulien, Italien?
Wie beeinflussen unterschiedliche Kulturen des öffentlichen Raums die Umsetzbarkeit von Gemeingütern und deren mögliche wirtschaftliche, soziale und kreative Vorteile?
Ausgehend von spezifischen Realitäten und den individuellen Wegen der beteiligten Künstlerinnen und Kollektive zeigt die von Künstlerinnen geführte Landwirtschaft das Bestreben, die Beziehung zum Land weniger hierarchisch zu gestalten – sowohl durch Anpassung an hegemoniale Strukturen der Landnutzung als auch durch deren Erweiterung.
Silvia Bottinelli (PhD, Universität Pisa) ist Senior Lecturer am Visual and Material Studies Department, School of the Museum of Fine Arts der Tufts University. Bottinellis Forschungsschwerpunkte liegen auf Ernährung und Ökokritik in der zeitgenössischen Kunst sowie auf italienischer Kunst des 20. und 21. Jahrhunderts. Zu ihren jüngsten Einzelveröffentlichungen gehören die Bücher Artists and the Practice of Agriculture. Politics and Aesthetics of Food Sovereignty in Art since 1960 (Routledge, 2024) und Double-Edged Comforts: Domestic Life in Modern Italian Art and Visual Culture (McGill-Queen's University Press, 2021). Ihre Forschung wurde in Zeitschriften wie Art Journal, Art in Translation, California Italian Studies, Humanities, Modernism/modernity, Palinsesti, Predella und Sculptureveröffentlicht. Sie wurde unterstützt von der American Philosophical Society, dem Center for Italian Modern Art, der Italian Art Society, dem Italian Council, der Bibliotheca Hertziana, Magazzino Italian Art, der Mellon Foundation und der Terra Foundation. Bottinelli erhielt den International Award for Excellence des Food Studies Research Network.